Montag, 28. November 2011

für Giulietta






Reise nach Norwegen
in Röcken – 
ein erfundenes 
Experiment

Mit Olga, Johann und Patrik zum Hårteigen
von Frieder (eigentlich Aryaman)


 





Mit 8 Jahren sah ich dieses Bild
von R.R.McIan 1857, das mich schnell von 
der Schönheit des Kilts überzeugt hat (Im ATLANTIS-Heft 3, März 1938)


„Gerne möchte ich mit dir mal eine Reise im Rock machen,“ sagt Olga zu mir, „du im Rock, Frieder. Ich natürlich schon gerade.“

„Nur in Röcken, keine Hosen mitnehmen, und weit weg und in eine recht wilde Gegend hinein.“  „Wohin, denkst du?“  „Frag mal deine Eltern, die kennen die Reisewelt,“ sagt Olga und grinst dabei. Eines Abends bei meinen Eltern, in dem großen Haus, wo ich aufgewachsen bin, Gäste zu Besuch, und da spreche ich unseren Plan verlegen an. 



Markgräfler Wein

Ein wenig Wein aus dem Badischen hilft mir über die Verlegenheit – ein junger Mann im Rock? – Doch, das ist ja mein Thema, auch heute noch, letzte Nacht ist mir nun, wie ich das niederschreibe, alt und seit langem ohne Reisen die Sache eingefallen, und den Rest der Nacht konnte ich nicht mehr schlafen und dachte mir die ersten Dinge aus. Bedenkt, seit meiner Kindheit wünsche ich mir, einen Rock zu tragen, und seit ich damals, mit 13, eine Kompanie schottischer Soldaten in meiner Stadt (Hameln) marschieren sah, wusste ich, was ich wollte. Alle trugen sie als Uniform ihren bunten Rock, das war etwas für mich. Eigentlich ist diese Art Soldat zu sein harmloser, denke ich heute, hoffe ich heute. Soldat im Rock! Doch leider aus dem Gebrauch, aus der Mode gekommen.

Denn inzwischen – habe ich gelesen – tragen auch die schottischen Soldaten Hosen wie jeder andere britische Soldat. Doch weil das Tragen von Röcken starke esoterische und sogar spirituelle Bedeutung haben kann, die ich selbst immer wieder erfahre, schreibe ich dieses mal alles auf. Es soll kein Reisebericht über Norwegen werden sondern über die Lust, miteinander in Röcken zu leben, wie ich sie ja seit Jahren selbst habe. Und während des Schreibens berührt mich die Sache selbst immer weiter. Diese Erfahrung mit meiner eigenen Seele ist etwas Großes. Während des Schreibens treibt das immer wieder nach oben.

Das erzähle ich nun
über zehn Jahre nach der schottischen Kompanie in der Weinrunde. Und da saß auch Patrik, ein weißhaariger Freund der Eltern, er war ohne Zögern begeistert, „da mache ich mit, ja?“ Patrik ist in Irland aufgewachsen, und da ist er in eine Schule gegangen, wo ein Schottenrock – gleich welchen Musters, „hauptsächlich kariert,“ sagt Patrik – Schulkleidung war, eine Schule mit Nonnen als Lehrerinnen. „Das möchte ich mal wieder haben, ich besorge mir einen irischen Rock. Im Down-Tartan, den  hatten wir damals auch.“ Doch das tat er erst nach unserer Reise, so sieht das Muster (Tartan) aus:



Eine Partie aus Frieder´s Down-Tartan-Rock


Patrik hat ein Muster dabei, er sinniert weiter, „mich wunderte immer, daß die Nonnen unserer Schule nicht gewußt haben, wie sehr das Tragen eines kurzen Rocks für jeden Jungen viele erotische Aufregungen in sich hat. Dennoch bestanden sie immer wieder darauf. Oder vielleicht war das auch für die Nonnen ein Bild voller Anregungen. Oder etwas Befriedigendes, die zukünftigen Männer in einer so verletzlichen Lage zu erleben wie es ein kurzer Rock nun mal ist? Vielleicht hassten sie Männer, doch im Körper von verletzlichen, schwachen Knaben liebten sie sie, wer weiß das heute noch?“

Dann lebte noch ein Junge bei meinen Eltern, Johann, der nicht mehr bei seinen verschlossenen („beschränkt“ sagt er) Eltern wohnen will, und der wollte auch mit, „schon seit Jahren möchte ich einen Rock tragen – so wird´s endlich mal was, darf ich?“ Johann ist 13 und hat großes Sehnen „nach der großen Welt!“ – „Das mit den verletzlichen, schwachen Knaben finde ich zwar doof, doch ich werde dagegen angehen.“

Nun zur Wahl der Röcke: „Nein,“ sagt Olga zu Patrik´s Wahl, „dein Down-Tartan ist mir zu dunkel-braun, habt ihr nicht was bunteres?“ So kamen wir an einen karierten orange Stoff. Johann kommt mit einem Kunstbuch, und da ist ein Kunstdruck von einem Bild des englischen Malers John Everett Millais (1829-1896) von zwei Kindern im Schottenrock („Two Bairns“). „So einen möchte ich,“ sagt er und zeigt auf den Jungen in einem orange Rock. Patrick meint, „so ungefähr kann ich vielleicht besorgen, genau gelingt das nie.“ Und er bekommt einen Stoff, der orange
kariert ist, mit einem grünen Quadrat in der Mitte einer jeden Karo-Einheit. Das Muster wird Tartan Kerr genannt.


Das Gemälde von John Everett Millais, "Two Bairns"


Und so etwa sieht der Stoff unserer Röcke aus,
allen gemeinsam. Die schottische Familie Kerr
soll angeblich aus Süd-Norwegen stammen,
sagt uns ein norwegischer Lehrer,
den wir dort beim Wandern treffen


Patrik wird ihn besorgen. „Doch wieviel? Wie lang sollen eure Röcke sein?“ Da sind die Meinungen verschieden, Olga will ihn knielang, ich auch, Patrik länger, Johann so, daß die Knie frei bleiben, „kürzer als bei den Mädchen meines Alters.“ – „Und weit sollten die Röcke sein, mit vielen Falten, sonst macht´s nicht so viel Spaß,“ sagt Patrik.

 „Norwegen!“ sagen die Eltern am Wein-Abend, „ein einsames, wildes, Land, mit schlechten und abenteuerlichen Straßen und feundlichen, altmodischen Leuten und Ziegen und Raben.“ – „Zur Hardanger-Vidda, zum Hårteigen. Dunkle Straßentunnel mit Felszacken, die in die Farhbahn hineinragen. Waghalsige Straßen senkrecht über´m Abgrund, und unten der Fjord oder ein See, ein paar hundert Meter tiefer. Hohe Wasserfälle, über denen Vögel kreisen, die bei uns selten sind, Kolkraben, Rauhfußbussard, und sich streiten. Oben Eis und Schnee und Gletscher und keine Bäume, kein Wald.“ Johann sagt, „also Fernglas mitnehmen,“ und Frieder, „also Tele mitnehmen, Tele-Objektiv.“


„Doch WIE wollt ihr reisen?“ – „Wir könnten euch einen VW-Bus besorgen, den ein Autoverleih hier hat, mit Betten drin aber vier Betten?“




VW-Bus, der erste Typ 1951,T1, eine neu-moderne Auto-Idee.


„Ok taler je norsk?“ fragt meine Mutter noch, doch das kann keiner von uns, also Lernen. Mutter meint, sie wüsste auch nicht, ob das richtig sei. Jedenfalls sei sie mal mit ihrem recht guten Dänisch in Norwegen gereist, und da habe jemand gesagt, ob sie wohl von Bornholm sei, da sprächen die Leute so. Na, wenigstens ein Anfang. “Vi taler ikkje norsk!“ bringt sie uns als Erstes bei, das Melodische müssen wir uns dort abhören. Oder "Ik taler ikkje norsk!“ heißt es in der Stadt Bergen.

Das also ist die Grundstruktur unserer Reise. Olga und ich studieren in Kiel Ozeanographie, und nehmen einen Kurs in der Sprache, in „Rigsmål“, der modernen Landessprache, die ähnlich wie Dänisch ist. Patrik wohnt irgendwo im Weserbergland, meine Eltern und Johann ja auch, in Hameln. Das war im Frühjahr, und in den Sommerferien wollen wir losreisen. Nach langen Vorbereitungen treffen wir im Haus meiner Eltern zusammen.

Irgendwann vorher gab es in der Ostsee-Halle in Kiel eine große Veranstaltung mit norwegischer Volkskultur, und ein Mann spielt theatralisch dramatisch eine Szene aus Henrik Ibsen´s großen Epos
Peer Gynt, wie er seiner Mutter Åse vorspinnt, wie er mit dem Bock, einem riesigen Rentier-Bock kämpft. Und sie sagt immer wieder, „Peer du lyver.“ Das ist der Anfang des Dramas, das größte Theater der Norweger, von allen geliebt. Sehr dramatisch im alten „Gammel Norsk“. DAS also ist die traditionelle Sprache dieser Leute. Unverständlich, vielleicht unlernbar, oder? Doch herb-romantisch im Ton.



Die Harding Fele, Hardanger Fela
erfahren in der Kieler Ostsee-Halle,
hier zu hören:
 http://www.youtube.com/watch?v=zw4_Cg-XpO4&feature=feedlik



Und jemand spielte die Hardinger Fele/Fela (Hardanger Fiedel), eine Geige der norwegischen Musik. Ein wundervoll und aufwendig verziertes Instrument – ob wir wohl sowas im Land sehen und hören werden? Ich lerne, daß die Fela vier Resonanz-Saiten hat, die unter den Spiel-Saiten liegen. DA wollen wir hin!

Ach ja, ich sollte wiederholen: diese Reisegeschichte erfinde ich gerade beim Schreiben. Diese Nacht schien der Mond voll, ich lag unruhig im Bett und zitterte trotz der dicken Decke, die mir meine Tochter Anne neulich geschenkt hatte, danke, für den nahenden Winter. Das Zittern war wohl die erste Spannung, mal wieder zur Hardanger Vidda zu kommen. Da war ich vor vielen Jahren mit meiner anderen Tochter, Petra, hingereist, und wir hatten – sie war 15 (nun ist sie 49) – eine gute Zeit überall dort. Ich kenne also die Gegend ein wenig.

Dann die Röcke, Patrik besorgt die orange Stoffe des Tartan „Kerr“, denn er hat noch Beziehungen zu Schottland. Aber einen langen, braunen Down-Rock aus Irland trage ich, der Schreiber, oft, den habe ich mir mal schneidern lassen
Danke Noona! Kein Kilt, sondern lang bis fast zu den Füßen. Doch wir Männer wollen für diese  Reise ja alle eine Art Kilt tragen – nicht echt Kilt-artig geschneidert, doch einen weiten Rock, also so ähnlich wie ein Kilt. Mit vielen Falten - zum weit schwingen. Viel Spannung, wie das wohl wird. Ein Rock ist ja etwas sehr Gefühlvolles, fast Zartes, mal sehen, welche Gefühle uns da ankommen werden. Olga trägt ja meistens Rock oder Kleid und kann da nichts Besonderes dran finden – „bin ich ja fast von Geburt an gewöhnt.“

Die von mir hier reingebrachten Namen: die Personen gibt es ja nicht wirklich . . . also Johann heißt ein Sohn meiner Freundin Jutta, Patrick der Sohn meiner Schwester Susanne, die kurz nach seiner Geburt gestorben ist und den sie – wie sie sagte – während einer Irlandreise mit ihrem Mann Ulli gezeugt hatte. Olga ist einer der Namen meiner Frau (wir leben nicht mehr zusammen), und außerdem lebe ich heute im Olgas-Hof bei Wismar. Mein Name in dieser Geschichte ist – schrecklich! – Siegfried, den hatte ich mir als Junge im blinden Glauben an die Wirkung der Namen mal gewünscht, doch weil der so überheblich klingt, nennen mich alle Frieder, also nur die zweite Hälfte meines Namens, noch ein wenig friedvoller. Nur auf dieser Reise.



Altes Bild von Patrik,
das war für mich der Beginn unserer Gruppe

Eine Schneiderin nähte uns die Röcke, fast wie Kilte, doch einfacher geschnitten, und damit mit weniger Stoff-Verbrauch. Mit Gürteln. Nicht als Wickelrock wie die Kilte sind, sondern richtig rund. Auch Olga bekommt so einen orange Rock. Für alle an jeder Seite eine große Tasche, zäh und verstärkt. Und für Johann „mit doppeltem Boden“, also in die Taschen noch mal eine derbe Tasche eingenäht. Dann Anorak, doch Pullover wollen wir uns im Lande kaufen. Mutter meint, es kann dort recht kalt werden, bis hin zu Frost auf der Vidda, also nehmt euch warme Wäsche und lange Woll-Strümpfe und Schisocken mit. „Und einen Unterrock, am besten alles aus Wolle, oder?“ – „Es darf alles nach unten rockartig offen sein, aber bei Kälte müsst ihr vielleicht alles um die Beine wickeln können, fast wie weite Hosen . . . , doch mit mehr Möglichkeiten, sich so oder so mit den Stoffen zu umwickeln – so habe ich das gerne. Frauen haben da ja jahrtausende-lange Erfahrungen!“

Patrik hatte schon lange diese Wünsche, wieder Röcke zu tragen, und zur Befriedigung seiner Wünsche hatte er wenigstens einiges gezeichnet, und da eine der Zeichnungen vier Leute enthält , habe ich daraus unsere Gruppe gebildet, ihr findet Patrik´s Bilder hier – seht das Bild oben. Den Johann auf diesem Bild hat Patrik abgezeichnet nach einer ähnlichen Figur auf den Tempeln von Khajuraho in Indien, wo in so einer Szene ein Kind sich verschämt umdreht. Noch was?



alte Skizze von Patrik:
schottische Soldaten und Jungen
an Bord eines britischen Schiffes,
 der mit den langen Strümpfen ist Deutscher,
der mal nach Schottland möchte. 
Er meint, es würde zu kalt da im Norden,
deswegen die Strümpfe.

Dann den Bus geliehen. Zwei Zelte geschneidert aus regenfestem Zeltstoff, einige Vorräte in den Bus gelagert . . . all so was. Dann von Hameln aus losgefahren, in zwei Tagen bis Hirtshals an der Nordspitze von Jütland. Dort auf die Fähre nach Kristianssand, ach nein, mit nur einem „s“: Kristiansand. Schon auf dieser Reise ging das Wundern der Leute über unsere Röcke los: „seid ihr aus Schottland?“ Johann und ich hatten etwas Schwierigkeiten, uns an das Tragen eines Rockes zu gewöhnen, etwas verschämt. Verlegen lachend gestand uns Johann, „ein Junge trägt doch keine Mädchensachen, da würde er ja für ein Mädchen gehalten, oder was schlimmer wäre, für schwul.“ Und da könne er nicht so schnell raus, aber er will! „Denn das sind ja neue Erlebnisse.“ Was „schwul“ ist, wusste er nicht so recht, und als es ihm erklärt wurde, verstand er immer noch nicht, was das mit dem Tragen eines Rockes zu tun habe. „Sind denn alle Schotten schwul? Oder alle Jungs in deiner Schule, Patrik?“


 An Land gezogene Fischkutter bei Hirtshals

Bis zur Abfahrt der Fähre von Hirtshals haben wir einen Tag Zeit, und steigen auf den Leuchtturm „det grå fyr“ an der Nordspitze von Jütland bei Grenen und schauen auf das Skagerrak, das Meer zwischen Ostsee und Nordsee. Wie wir durch die Dünen in die Nähe dieser Nordspitze fahren, sehen wir eine wahre Grenze zwischen den beiden Meeren Nordsee und Skagerrak: zwei verschiedene Arten sich zu bewegen – Wellen und Strömungen. Wo die Meere aneinander treffen, spritzt das Wasser hoch und viel Schaum entsteht. Außerdem sind beide unterschiedlich blau, stiller und grünlicher ist das Skagerrak, dunkler und blauer und bewegter die Nordsee. Die Nordsee mit weißen Wind-Streifen.

Am nächsten Tag mit der Fähre nach Kristansand. Auf See ist es im Rock ziemlich schwierig. Wenn wir an der Reeling stehen, müssen wir unsere weiten Faltenröcke immer festhalten, der Fahrtwind und überhaupt der Wind hätte uns die Röcke am liebsten um die Ohren geweht, doch das wollten wir nicht. Nun verstehe ich, warum Patrik darauf bestand Unterröcke zu tragen – „obwohl die Schotten und Iren das nicht tun, wäre zu mädchenhaft. So sind die, recht eigenartig, recht spießig.“ 


Doch Johann versteht diesen Gedanken, er will als Junge ja auch nicht mädchenhaft aussehen, „wo schon meine Stimme so mädchen-artig ist.“ Doch er wagt es, denn seine Mitschüler sind ja nicht dabei, sehen ihn nicht, und er braucht nicht verlegen zu sein. Und sein Rock weht am leichtesten hoch, er ist ja der kürzeste. Später nimmt er diese „windige“ Anregung wieder auf und tanzt oft mit wehendem Rock – vielleicht fast wie die Schotten. Patrik erinnert sich, „wie wir Schüler damals mit Lust . . . , ich denke daran, wie ich in einem öffentlichen Park in Belfast so umhertanzte, mit fliegendem Rock – wundervoller Spaß. Wir haben nicht Rock sondern Kilt gesagt. Trotz allem haben wir das nicht als mädchenhaft empfunden. War in unserer Schule ja unsere Alltagskleidung.“


 Dieses Wetter auf See - Eissturmvogel

Olga und ich bleiben meistens im Schiffsrestaurant, da haben wir nicht die Schwierigkeiten mit dem Wind.

Johann ist von uns der Einzige, der es wagt, an Bord ab und zu seinen Rock hoch wehen zu lassen, alle können seine Unterwäsche sehen, na ja, das ist bei einem Kind auch nicht so peinlich, denke ich. Wieso ist es überhaupt peinlich?

Von Kristiansand aus reisen wir nordwärts und kommen nach einigen Stunden (75  km) an den Byglandsfjord, ein Innenlandsfjord weit weg vom Meer, reines Süßwasser. Tief eingebettet zwischen dicke Felsen, unten ist es an manchen Stellen dunkel, und kaum kann ich mich an Siedlungen erinnern.



 Am Byglandsfjord

Langsam steigt die Straße in höhere Felsgebiete. Wir halten auf einem Parkplatz etwas abseits zwischen den Birken. Da steht ein einheimisches Auto, und die Frau, Dagny heißt sie, meint, „je weiter ihr in den Norden kommt, desto weißer sind die Birken.“

Es wird nun kälter, und Olga holt ihre Strümpfe heraus, so lang wie ihr ganzen Beine, braune Wollstrümpfe, wie sie sie für uns alle eingepackt hat. Jeder Strumpf mit zwei weißen Knöpfen oben dran. Erfahren zieht sie sich einen Hüftgürtel an, an dem vier Strumpfhalter hängen, einfache Lochgummibänder, damit hält sie ihre Strümpfe, sie sollen ja nicht rutschen. Uns empfiehlt sie gleiches. Wir sind zwar alle ausgerüstet, gut vorbereitet, doch nur Patrik tut es wie Olga.

Johann meint, das sei doch zu mädchenhaft und friert lieber an seinen Beinen. Doch wie wir ein paar Kilometer weiter an ein großes Landrestaurant kommen, das einen Zeltplatz hat, zwischen Birkengebüsch – nichts als Birken hier –, ist auch ihm das recht, „zum Rock gehören eben lange Strümpfe – wenn sie ordentlich warm sind.“ Wir sind hier schon auf 800 Meter Höhe über dem Meer, zeigt eine Tafel an. Im Restaurant sind viele Gäste, meistens Norweger, die im Hotel übernachten. Auch in Zelten. Einige haben viele Forellen in den Seen und Bächen gefangen, und allen Gästen werden welche zum Abendbrot angeboten, geschenkt. Und wir essen auch welche, Johann zwei. Ein wundervolles Land, ein sehr freundliches Volk! Kaum Ausländer hier.



 Ein gelbes Norweger-Pferd
 

Gegenüber weidet ein gelbes Pferd, mit einem dunklen Strich auf dem Rücken. Wir überlegen uns, ob es wohl geht, im Rock zu reiten. Patrik meint, „die römischen Soldaten waren Fußvolk und trugen Röcke, die Germanen waren Reiter-Soldaten und haben als Reiter die Hosen eingeführt so habe ich in der Schule gelernt. Da wir Kelten selten geritten haben, blieben wir bei den Röcken – sagten die Nonnen. Ob das so einfach zu verstehen ist, weiß ich nicht.“





Da sitzt eine englische Familie, sehr angenehm altmodisch scheint mir. Mann und Frau und drei Töchter um 10 bis 14. Außer dem Mann tragen alle knielange Kleider und lange, schwarze Strümpfe. Die Mutter sitzt neben dem Tisch und hat ein Bein übergeschlagen, und da sehe ich, was Rock-Tragen heißt, ein Stück des Oberschenkels ist nackt, der Strumpf reicht nicht so weit. Wenn der Rock mal höher gerutscht ist. Ich merke, auf was ich bei mir zu achten habe. Doch Spaß macht es auch. Die Mädchen achten aufmerksamer auf ihre Kleider als die Mutter, scheint mir.

Dagny ist auch hier, sie gehört zum Hotel und arbeitet in der Küche. Ihre weiß-blonden Haare stecken unter einem rot gemusterten Kopftuch, und sie lacht. Und einen weiten Rock trägt sie auch. Und Strümpfe gegen die Gebirgskälte – wer nicht? Wir haben gar nicht erst Hosen mitgenommen. Doch, Johann eine kurze, die er aber nie anzieht, der Rock ist ihm wichtiger, „dieses Erlebnis muß ich bis zum Letzten auskosten.“ Nur zur Sicherheit hat er die Kurze dabei.

Vor dem Restaurant hängen norwegische Kleidungsstücke und wehen im Wind, auch viele Pullover. Sie sind alle weiß mit grauen oder schwarzen Punkten, wir kaufen für jeden von uns einen, der Ladenbesitzer freut sich und schenkt uns ein kleines Spiel-Rentier. Es steht nun hinter der Frontscheibe im Auto. Wir finden, es sieht gut aus, die Pullover und die orange karierten Röcke und die braunen Strümpfe, muß ich mal malen für euch. Denn wir haben kein Foto gemacht. Dagny freut sich auch und meint, so schön habe sie diese Pullover noch nie gesehen, mit den roten Röcken.



 Unsere Pullover

Und Frau Dagny weist uns am nächsten Tag auf einen Wanderweg zwischen die Felsen, tiefe Täler, überall kleine Seen. Vorher macht sie uns ein „Matpakke“, ein Päckchen mit belegten Broten, und noch zwei letzte Forellen von gestern, es ist sehr abenteuerlich. Nach einigen Stunden kommen wir an eine Holzhütte mit einer Bank davor und einem Tisch, unter überhängendem Dach, und das ist gut, weil es an zu regnen fängt. 



Wir alle haben einen Gürtel aus geflochtener Baumwolle, grün, alte Uniform-Gürtel von Her Majety´s Army – damit der Rock nie rutscht, und damit wir unsere Fahrtenmesser anhängen können, die wir nun für die Forellen brauchen. Falls der Rock aber doch mal rutschen sollte – dafür haben wir ja die Unterröcke an, auf die die Schotten verzichten – warum eigentlich?

Patrik legt sich auf die Bank und schläft, während wir umhergehen. Wir sehen sehr viele Kreuzottern, lebende und erschlagene. Es wird so warm, daß Johann seine Strümpfe runterrollt und mit nackten Beinen weiter wandert. „Dann können sie etwas bräunen!“ Dann passiert es, er sieht sich nicht vor, und eine Kreuzotter schießt vor und sticht ihn, doch sie trifft nur den runtergerollten Strumpf, der ja eine ganz dicke Rolle ist, bestimmt dicker als die Giftzähne der Schlange lang sind. Jedenfalls hat sie ihn nicht in die Haut getroffen. Johann schreit schrill, schüttelt seinen Fuß – und dann lacht er und lässt das Tier wegschlängeln.

Wir kommen an einen See zwischen den Bergen, und etwas daneben steht ein zweistöckiges Holzhaus, ich denke ein Familien-Ferienhaus. Eine wilde Wiese bis zum See, und wir planen, an einem späteren Tag hier zu zelten, viel einsamer
als nahe der Landstraße. Hier ist es kühler, und Johann zieht seine Strümpfe wieder hoch, bis weit unter seinen Rock. Und verlegen grinsend sucht er die Strumpfhalter und knöpft sie wieder an die Strümpfe. „Wie die Frau im Film neulich, die damit die Männer anlocken wollte. Doch die hatte solche Drahtschlingen, keine Wäscheknöpfe. Ist wohl eleganter, oder? Weiblicher, ja?“



 

Auf der Hüttenbank sitzt Patrik und massiert sich seine Knie. „Das sind doch besondere Teile des menschlichen Körpers, die Knie.“ – „Was ist daran besonders?“ fragt Johann, „jeder hat sie, und mal 4 Milliarden Menschen: acht Milliarden Knie, oder?“ Und er wundert sich. Wir pflücken ein paar Blumen, finden eine grüne Glasflasche und holen Wasser vom Bach und stellen sie auf den Tisch, bevor wir zurückgehen. Welche Blumen gibt es hier? Rittersporn, und das wundert uns schon wieder – denn bei uns wachsen sie in den Gärten – und nun hier in der Wildnis. Wir nehmen auch einen Strauß für das Restaurant mit, für Dagny.

„Was, Patrik, ist an den Knien Besonderes?“ fragt Johann. – Patrik rechtfertigt sich: „Sieh mal, erstens sind sie schön. Dann denk mal an alle die Bewegungen, die sie machen können. Außerdem sind sie erotisch, na und noch manches mehr, wir können ja mal suchen.“ – „Ach ja, und was ist `erotisch´?“ fragt Johann.

„Ich kann meine Knie streicheln und massieren. Und nochmal, was ist erotisch?“ – „Was fühlst du denn, wenn du deine Knie streichelst? Ganz tief, nicht in Worten zu sagen.“

Schweigen, Nachspüren, Johann steicht über seine Knie und Beine von den Knöcheln bis weit hinauf unter den Rock, hin und her, sehr weich und sorgfältig – „Ja, da ist was, ich kann es wirklich nicht beschreiben, `unbeschreiblich´ und schön. Es geht durch den ganzen Körper.“ Und er zieht seine Strümpfe ein wenig runter und lässt den leichten Wind seine Beine streicheln, „bis weit hinauf unter den Rock,“ sagt er. „Dieses Gefühl! Das also ist erotisch, oder? Ganz still und nicht zu beschreiben.“ Und er fragt Olga, die neben ihm sitzt, „streich du mir mal über meine Beine – oh ja, das ist schön.“

„Hat das was mit Sex zu tun?“ fragt Johann. Patrik sucht nach ordentlicher Sprache für den Jungen, der vielleicht noch nicht alles versteht. „Na was ist da schon Sex?“

„Ja, wenn ein Mädchen einen Jungen bei sich haben möchte, ganz dicht, Körper an Körper, und küssen möchte, nicht nur auf die Lippen, das kommt dann in die Nähe von Sex. Lass dir das mal durch deine Fantasie gehen. Und lässt sich seine Beine streicheln, oder er streichelt ihre ...“

Einen Tag später bringt Johann auf den Punkt, was er so spürt: „der Rock ist so leicht, mein Körper unterm Rock ist so begierig nach Freiheit, daß ich meine Unterhose ausgezogen habe – und das ist noch mehr Freiheit! Ist das mein Sex?“ – „Ja, das ist schon näher an deinem Sex.“ ... „Diese große Freiheit, die ein Rock bringt – im Gegensatz zu den Hosen. Deswegen wollten wir ja diese Reise  in Röcken machen ...“ sagt Olga.


Und als Johann mit der Hand unterm Rock den Körper streicht, sagt Patrik, „das ist schon wieder wo anders hin, nicht mehr Sex. Zwar schön aber nicht so richtig Sex. Die große Freiheit!“

„Stell dir vor, du hast eine Freundin – oder einen Freund
, die du sehr gerne hast, also die du liebst, und sie trägt auch einen Rock, und ihr kommt euch sehr nahe und legt die Vorderkörper aneinander, und hebt eure Röcke hoch . . . dann seit ihr schon sehr nahe am Sex.“  „Das ist also die Freiheit, von der ihr sprecht?“ Und er hebt seine Röcke hoch und zeigt, wie steif sein Penis geworden ist. „Ja, das ist schon große Nähe.“ 




Zwischen den tausenden dünner Birken weidet eine Ziegenherde, und ein Mädchen hütet die Tiere. Auch sie trägt einen Rock, wie alle Mädchen hier. Sie wundert sich über uns. Und wie Johann sich auf einen dicken Stein setzt, bringt sie ihm ein Glas frischer Milch. Das findet er sehr freundschaftlich und streicht ihr über die Schulter und beginnt ein einfaches Lied zu singen, etwas mit Ziegenhüten. Doch sie versteht die Worte wohl nicht, aber freut sich über seine helle Stimme. Und streicht ihm über seinen Rock als wollte sie mehr, aber sie hält sich zurück. Johann wird verlegen und fühlt sich „seelisch berührt“, wie er später sagt, „ja, das ist wohl auch in der Nähe von Sex, oder?“

Sie zeigt ihm, wo sie wohnt, eine einfache, uralte Bauernhütte an einem See, nur für den Sommer, ein Sæter, eine Alm, sagt die Mutter. Die Mutter spricht etwas deutsch und erklärt dem Johann, wie sie Käse macht. Käse heißt „Uscht“, erklärt sie, geschrieben Ost. Und aus der Molke der Ziegenmilch macht sie einen braunen Käse, der ganz anders schmeckt. „Jeeit-Uscht“ oder so ähnlich. Den schneiden sie ganz dünn mit einem Käse-Hobel, den wir auch noch nie gesehen haben, sonst wäre der „Geit Ost“ zu süß, und wir legen ihn aufs Brot. „Schmeckt wie Karamel“ meint Johann.



Mittelalterliches Vorratshaus neben der Hirten-.Hütte

Einmal fahren wir einen Feldweg zwischen den Felsen und Heidekräutern, es geht um eine Kurve, und Olga bremst scharf, denn da steht eine Herde von schwarzen Auerhühnern („RYPER“, „TJUR“?). Vielleicht zehn Vögel. Schnell rennen sie zwischen die Büsche. Nie wieder in meinem Leben habe ich Auerhühner gesehen. Dann zelten wir neben dem Weg an einem Bach. Es ist schon recht einsam hier, und wir treffen in zwei Tagen niemanden, doch ein paar hundert Meter den Berg hoch steht zwischen Wiesen ein Bauernhaus, und ein paar Kinder rennen dort umher. Wir fragen Johann, ob er nicht mit den Kindern spielen möchte, doch die sind ihm zu fremd, er bleibt lieber bei uns.


am Bach
 
Der Bach fließt ganz langsam, ohne Wellen. Johann geht hin und stellt sich auf einen Bachstein und entdeckt etwas: “oh, da spiegelt sich ja alles unter dem Rock!“ Und er wedelt die Röcke umher um mehr zu erkennen. Und stellt den einen Fuß auf einen anderen Stein. „Ist ja eigenartig, sich so zu sehen. Und dann kommt gerade eine Forelle vorbei geschwänzelt und schwimmt sozusagen zwischen meine Beine.“

Was für Erlebnisse so ein Rock doch bietet, die kennt nicht mal Olga.



Das Feuer am Bach

Hier angeln wir uns ein paar Forellen im Bach, schlachten sie, und Johann brät sie in der Aluminium-Pfanne auf dem Feuer vor den Zelten. Immer wieder legt er eine neue rein, viel mehr als wir essen können, bewahrt sie auf in einer Dose. „Für die Tage der Not,“ sagt er grinsend .  Zum Dank streichele ich ihm die Wangen, doch Johann wehrt sich ein wenig. Da kommt Olga und sagt, du mußt doch nicht mit dem Handrücken streichen, das ist ja fast ein Abstoßen, ist irgendwie hart. Und sie nimmt sein Gesicht in die Hände und streicht es mit ihren weichen Innenhänden, Johann genießt das und  gickert vor Freude. Ja, sagt er, mit deinen Handflächen, das ist schön und liebevoll.


Bald fahren wir weiter und kommen nach zwei Tagen in die Nähe unseres Zieles, die Hardanger Vidda, die weite Ebene von Hardanger, erklärt uns jemand. Hier sind flache Seen, und weil es frostig ist, ist auch fester Schnee liegen geblieben. Das Wunderliche an dem Schnee ist, er ist rosa. Ein Land voller Wunder. Diese Vidda – Ebene kann ich nicht schreiben, ist zu hügelig – ist über 1000 Meter über dem Meerespiegel. In der Ferne sehen wir  einen weißen Berg, einen Buckel bedeckt mit Schnee und Eis, der Hardanger-Jökul, der höchste Berg im Süden Norwegens. Wird Jökül gesprochen und bedeutet ein mit Eis bedeckter Berg. Vielleicht auch Gletscher, die seitwärts von dem Berg runterfließen.


Auf der Hardanger Vidda, in der Ferne der 
Hardanger Jökül
 
Irgendwo auf der weiten Ebene steht eine Holzhütte, und ich darf darin schlafen, mit Olga, und die Koje ist gepolstert mit mehreren Rentierfellen übereinander, ein sehr angenehmes Gefühl, darauf zu schlafen, es sind dicke Winterfelle. Eine Jagdhütte. Davor am Feuer sitzt eine Wandergruppe mit Kindern und Erwachsenen, aus dem Städtchen Odda. Sie zelten auch. Ein alter Mann führt die Gruppe, er spricht sehr gut Deutsch, mit schweizer Akzent. Er ist Wasserbau-Ingenieur und hat um die Jahrhundertwende in Zürich studiert. „Da habe ich oft Trotzki gesehen und einmal auch Lenin, bevor er nach Rußland reiste, 1916 etwa.“

Wir fragen, ob es hier Moschusochsen gibt. Es gab, aber die deutschen Soldaten haben sie alle abgeschossen, und nun  werden wieder welche angesiedelt.



Wandergruppe auf der Vidda



Die Hardanger Vidda ist eine weite Fläche, leicht hügelig. Mit Felsen und Moor und Heide mit Rentier-Flechte. Ich finde ein paar Abwurfstangen und einen Schädel von Rentieren, von denen wir eine Stange mitnehmen. 



Etwas Eigenartiges: aus der Pflanzendecke haben sich wie es scheint, immer wieder gerundete, nackte Steine nach oben geschoben, an diesen Stellen liegen sie in ein bis drei Meter großen Flächen zusammen, ohne Pflanzen, und wir können zwischen den Steinen etwas in die Tiefe sehen. „Das sind Frostaufbrüche, hier drunter ist ja Wasser, und wenn es gefriert, dehnt es sich aus und schiebt die Steine vor sich her“ Da ist es schwer, ein Zelt aufzurichten, kein weicher Boden für die Heringe. Müssen zwischen die Steine geklemmt werden.




Dann ist da ein eigenartiger Berg, der Hårteigen, ein Klotz, der düster aus der Vidda herausragt, fast viereckig. Er sieht aus als ob er erst kürzlich aus dem Erdinneren nach oben gewachsen wäre, geschoben wäre. Wir überlegen uns, ob man ihn erklettern könne, doch dann entscheiden wir uns, unten zu bleiben und ihn aus der Ferne zu verehren, garnicht erst zu fragen.

Wie bleiben hier noch einen ganzen Tag, und Patrik wandert mit Johann umher. Auf den Rentierfellen erleben Olga und ich einen schönen Liebes-Nachmittag. Unsere offene Kleidung verführt ja dazu, einander körperlich - und überhaupt - sehr nahe zu kommen. Und wir in den tiefsten Hingaben und Orgasmen. Zwischendurch sieht Johann mal herein und ist ein wenig erschrocken von unseren Energien, „ist das Sex? Ihr beiden?“ Ich kann ihm das zwischendurch bestätigen, und er lehnt sich ein paar Minuten an den Türpfosten und sieht zu, doch dann wird ihm das zu viel und er geht wieder raus, betroffen, zitternd, verwirrt, wie er uns ein paar Tage später sagt. „Da hatte ich das Bedürfnis, eine lange Hose anzuziehen – doch ich habe keine mit, und in der Kurzen könnte ich mich nicht genügend zurückziehen. Da fühlte ich mich im längeren  Rock besser, wenn auch ziemlich nackt und schamhaft.“

Doch dann ist er wieder zufrieden in seinen Röcken – „na wenn schon, ich muß mich eben dran gewöhnen, daß es unter den Röcken manchmal heftig wird, bei euch jedenfalls. – Doch ich sehe bei euch, daß eure Röcke euch viel Freiheit geben – da auf den Rentierfellen, oder?


Johann spielt mit seinen Röcken, dem bunten Rock, der sehr weit ist und im Wind fliegt, und mit seinem etwas engeren, weißen Unterrock. Er hebt den orange Oberrock etwas und zeigt seinen Unterrock, „oh, da möchte ich gerne einen Spitzenrand dran haben. Wie das Ziegenmädchen.“ Vor dem Ziegenmädchen hob er ja alle seine Röcke kurz und zeigte ihr seine Nacktheit darunter. So sagt er es mir später heimlich, etwas verschämt. Die Röcke sind für ihn ein sehr großes Erlebnis, wie er sagt, „ich erlebe meinen Körper, meine Körpergefühle nun ganz und sehr lebendig. Früher hätte ich das nicht einmal aussprechen können.“ Johann setzt sich oft so, daß wir alle seinen Unterrock sehen können, „ihr glaubt nicht, wie sehr das Begeisterung in mir auslöst. Auch einiges Leichtes.“

„Schließlich habe ich meine Röcke vor dem Ziegenmädchen hochgehoben – nur sie tat das nicht, glücklicherweise.“ „Wieso glücklicherweise?“ frat Olga. „Na, ich hätte dann nicht weiter gewußt, was soll das ganze und so weiter.“ – „. . . und als wir später in ihrer Hütte waren, hockte sie sich auf ein Bett, und da sah ich doch ganz kurz unter ihr Kleid, und da war ein großes Gewuschel von weißen Stoffen, Unterwäsche irgendwie. Und die schwarzen Strümpfe – ganz altmodisch, wie in dem alten Fotoalbum neulich.“ – „Hast du denn ihre altmodischen Strumpfhalter gesehen?“ fragt Patrik. Olga grinst, und Johann sagt, „ja, aber wieso? Sie waren einfache schwarze Bänder. Sonst hätten sich die Strümpfe ja über ihren Knien gekräuselt. Doch ihr schneeweißer Unterrock war voller Spitzen, richtige Klöppel-Arbeit, oder wie das heißt. Wunderschön, wenn ich so sagen darf“ –  „So bekommen wir mal einen Eindruck von der norwegischen Art sich zu kleiden, jedenfalls bei den Mädchen, oder wenigstens bei dem Ziegenmädchen.“

Ich denke, es ist das Gefühl von Freiheit, das wir uns normalerweise nicht gönnen. Das aber zu unseren angeborenen Wünschen gehört.

 
So etwa sieht Johann aus,
Patrik hat versucht, unser Rockmuster
und den Pullover zu treffen,
doch dann sind ihm ein paar Regentropfen
draufgefallen

Patrik und ich lernen von Johann. Wir gleichen uns an ihn an, und Patrik sagt, „Das habe ich damals in der Schule auch oft so erlebt, doch ich vergaß es, leider.“ Für Olga ist das nicht so spannend, jedenfalls was ihre eigenen Gefühle betrifft. „Doch es ist etwas sehr Aufregendes, das an euch zu sehen.“ Schließlich tanzt Johann mit fliegendem Rock über die Hardanger Vidda. „Hier ihr Rentiere und anderen Tiere, hier ist meine Nacktheit, hier bin ICH, hier ist meine Freiheit!“ singt er schallend. „Es macht mir Spaß, wenn ich meine Röcke etwas hochhebe. Ich bin richtig froh, daß wir das mit den Röcken so gemacht haben. Ich kann fast nur daran denken, und davon träumen. Ein anderes Leben will ich nicht mehr. Mal sehen, wo ich nach unserer Reise bei meinen Röcken bleibe, auch in der Schule, mal sehen.“

Die Norweger wandern viel, Tageswanderungen ganzer Familien, dann irgendwo auf den Wiesen großes Picknick, viel Lachen und Singen. So trifft man sie oft, und immer ist irgendwer dabei mit deutschen Sprachkenntnissen – wie die Gruppe auf der Hardanger Vidda. Olga mag es wie die Mädchen und Frauen sich kleiden, „ziemlich schlicht, knielanges oder kürzeres Kleid, selten ein Rock, hellgraue Strümpfe, das möchte ich gerne mal übernehmen. Sie sehen alle ähnlich aus, das ist das Schlichte. Ein Stil.“



Mädchenklasse in Lindesness


Na beim Wandern sind ihre Strümpfe dicker, grober,  schützender. Oder sie tragen lange Hosen wie die Männer.

„Neugierig bin ich nur, wie sie ihre Strümpfe befestigen, muß mal fragen, vielleicht kann ich was davon lernen, nicht so aufwendig wie bei uns,“ überlegt Olga. „Und was ich auch mal möchte: den unteren Saum meiner Unterröcke mit Spitzen. Wäre das nicht süß? Ich möchte gerne mal süß aussehen. Jedenfalls wenn ich versehentlich die Röcke raffe.“

 Johann hat sich Bücher mitgenommen, „Tecumseh“ von Steuben. Eines Tages sagt er, „das mit den Strümpfen unterm Rock gefällt mir zwar, aber besser fände ich die Leggings der Indianer, von denen Steuben hier spricht. Patrik sollte mich mal mit Strümpfen zeichnen, und dann könnten wir mal Leggings machen und ich ziehe die an. Und vergleichen.“



Johann´s Rock fliegt hoch, und wir
sehen seine langen Strümpfe -
wie wir sie alle tragen.


 

Dann suchen wir nach Leder - das soll es sein, meint Johann - und bekommen schließlich bei Bauern Ziegenleder, wunderbar weich und schön. Zwei Tage lang nähen wir und bekommen die zwei Schläuche, die ihr hier unter auf dem Bild seht. Johann ist ganz begeistert und meint, „ja, so haben´s die Indianer, und wir könnten auch noch bunte Lederstückchen an den Außenrand nähen.“


Fast dasselbe Bild wie eben, doch nun hat Patrik
die Strümpfe ausradiert und Leggings
eingezeichnet - für euch zum Vergleichen.

 


Johann findet das so „männlicher“. „Ich will zwar kein Mann sein sondern so wie ich gerade bin, aber ich mag meine Beine lieber in Leggings als in Strümpfen.“


Patrik zeichnet schnell zwei Indianer-Buben 
in ihrer Kleidung, wie sie vor 200 Jahren war.

 
Dieses Land ist sehr zerrissen, wir sehen auch solche Schluchten:



Während der Rückreise treffen wir in einem Landgasthaus – „gæstgiveri“ – auf eine Jugend-Wandergruppe aus England, dabei sind drei oder vier Jungen, die ihren Kilt tragen, schottische Kinder, die in London leben, doch sie nutzen die Gelegenheit . . . Und miteinander tanzen sie ihre Schwerttänze. Johann´s Leggings sind noch nicht fertig, also weiter in Strümpfen, was die Schotten garnicht kennen. Johann ist ganz begeistert und tanzt mit. Da hören sie auf und erzählen ihm, wie das wirklich geht. Denn seine Art ist ihnen zu laienhaft, zu tollpatschig.


Und wie die Schottenröcke fliegen sehen alle die Unterwäsche, und die englischen Kinder lachen. Mir scheint, den schottischen Jungen ist das nicht peinlich sondern sie stellen sich dar, es ist wie ein Theaterspiel. Weiter unten seht ihr ein Bild, wie Johann seinen Rock fliegen lässt.

„Das ist rechtes Rock-Tragen, im Tanz, das müsste man bei uns mal einführen, da würde ich mit machen, an erster Stelle.“ Ein Mädchen kommt und will sehen, warum er einen Unterrock trägt und meint, das sei ja eine neue Sitte – auf englisch. Und ein anderes, größeres Mädchen trägt bunte Strümpfe im Argyll-Muster, das ist ähnlich wie ein Schottenmuster, doch diagonal kariert. Das ganze Bein kariert. Patrik sagt dazu: „Wir tragen manchmal Strümpfe im selben oder ähnlichen Tartan-Muster wie der Kilt, aber diagonal kariert. Nicht senkrecht-waagerecht. Ich glaube senkrecht-waagerecht ist eher männlich, wie eine Ingenieurszeichnung. Mädchen tragen ja auch oft Röcke in Tartan-Mustern, aber meistens diagonal, vielleicht um nicht männlich zu wirken, sie lösen das Männliche damit auf. Und so ist es wohl auch mit den Strümpfen, denn die diagonalen werden meistens von Mädchen getragen, wenn sie Volkstänze tanzen. – Ja, und Jungen tragen eher einfach weiße oder grüne Kniestrümpfe.“


Und dann nimmt das Mädchen mit den Argyll-Strümpfen den Johann an die Seite, und sie gehen zusammen in das Birkengebüsch. Hand in Hand kommen sie nach Stunden wieder heraus. Später erzählt Johann nur wenig, so zum Beispiel, daß sie unbedingt sehen wollte, was er unter dem Rock anhabe. Und wieder hebt er den Rock und zeigt alles. Das Mädchen setzt sich auf seinen Schoß, und sie streicheln einander die bestrumpften Beine, sagt er. Sonst nichts weiter.
 

Dann erlebt Johann hier etwas, das ist ihm peinlich. Er hilft in  der Küche, so wie manche junge Leute. Da sitzt er an einem der großen Arbeitstische und schneidet Gemüse. Er merkt, wie ein paar kleine Kinder unter dem Tisch spielen, und eines will sich unter seinem Rock verkriechen und vor den anderen verstecken. Johann zieht den Rock weiter runter, weil er das Versteck verbessern will. Da streichelt das Kind seine Beine und geht mit den Händen weiter rauf und berührt und streichelt seinen Körper, „ihr glaubt garnicht, wie mich das aufgeregt hat – und dennoch musste ich still halten. Hinterher trage ich das Tablett mit dem Gemüse zum Herd, da kommen die Kinder wieder und das, das unter meinem Rock saß, ruft die anderen, hebt meinen Rock und zeigt ihnen, wo es gesessen hat. Alle sehen das und lachen. Mir ist das etwas peinlich, aber ich kann nichts machen, da ich das Tablett balanzieren muß.“

Patrik fragt, „ist dir das nun zu viel mit dem Rock?“ „nein, so peinlich ist das nun auch nicht, hat auch was Abenteuerliches an sich.“ Ich finde, daß Johann sehr frei ist in seinen Gefühlen. Vielleicht kann er das zuhause oder in der Klasse nicht so sein, ich will das mal beobachten. Man könnte denken, hier mit uns kann er sein, wie es ihm liegt, wie sein eigener Charakter ist. Ist das nicht schön, wenn ein Kind sich ganz natürlich erleben kann? Wir genießen das alle.




Wir kommen wieder durch das Tal des Byglandfjords. An manchen Stellen ist es düster, hoch und dicht stehen die glatten Felsen. Eine Schlucht dazwischen und ein Schild zum Zeltplatz, wir fahren hinein und kommen nach langen Windungen in der Höhe an den Platz auf einer Waldlichtung – denn hier ist Kiefernwald. Ein Häuschen und drei Ziegen und eine Kuh und ein Pferd stehen da rum. Es ist klarer Himmel. Und es wird eine dieser nordischen Sommernächte, in denen es nie nächtlich dunkel wird – dagegen wirkt der volle Mond ärmlich. Aus dem Häuschen kommt eine dunkelhaarige Frau, die hier bei den oft blonden fremd wirkt. Sie spricht uns leicht fremdländisch deutsch an und bringt uns Ziegenmilch zum Empfang. „Ich heiße Dschulieta,“ und schreibt uns das auf einen Zettel: Giulietta, aha, also eine aus Italien, denke ich. Nachts wird es nebelig, ganz dicht nebelig, aber von oben scheint der Himmel durch.

Etwa um Mitternacht kommt sie in unser Zelt und winkt mir, mitzukommen. Olga deht sich um und schläft weiter. Im Nebel führt Giulietta mich durch den Wald in die Höhe, wir stehen auf einem Felsen und setzen uns. Es ist sehr still. Ich sitze gerne mit untergeschlagenen Beinen. Dabei breite ich meinen weiten Rock aus und sitze auf der hinteren Innenseite, lege den Stoff auf meine Knie, habe also meine Beine eingewickelt, die Knie geschützt. Das finde ich gut, denn meine Knie werden leicht kalt, trotz der Strümpfe.

Sehr langsam wird es heller, doch der Nebel ist dick, und ich weiß nicht, wo wir sind. Mir scheint, wir sitzen hoch über dem Tal, denn ab und zu höre ich von unten ein Auto oder Moped.

Nach langer Zeit geht der Nebel weg, und tief unter mir ist der Fjord, weit sehen wir im Tal entlang nach Süden. Dann suche ich mir einen Platz mit schönerer Sicht, und wieder einen anderen, alles auf dieser Felsplatte. Giulietta sieht mir nach, und sagt nach einigem Umherwandeln, „ich sehe dich die ganze Zeit in deinem schönen Rock. Sonst tragen Männer immer Hosen, aber ihr . . .“ Ich setze mich neben sie, und wie ich meinen Rock wieder zurechtlege, zeige ich ihr meine Strumpfhalter, die unten aus dem Unterrock raussehen. „Ich liebe die langen Strümpfe und trage auch welche,“ sagt Giulietta. „Sieh hier,“ und sie zeigt mir ihre, so stellen wir einander mit unseren Vorlieben vor, Röcke und Strümpfe und Strumpfhalter – und es ist ein passendes Zusammenspiel wie selten.

Die Sonne geht auf, und Johann kommt an und sitzt neben uns. „Hätte ich doch nur einen Rock wie du, länger, diesen kann ich nicht um meine Knie wickeln.“ Und er wickelt seine Strümpfe hoch und knöpft sie an die Halter. Giulietta bewundert ihn und sagt, „es ist wunderbar, daß ihr Röcke mögt, das ist viel schöner als diese ollen Hosen der Männer.“ Johann steht auf und dreht sich bis der Rock fliegt und setzt sich wieder, „das ist ja ein tiefes Tal da unten.“




Giulietta holt aus dem Haus eine uralte amerikanische Zeitschrift und zeigt uns eine Reklame aus dem vorigen Jahrhundert: „Queen Bess Corset, Skirt Supporter“, also Rock-Halter, und ein Bild mit zwei Frauen im Corset. „Nun wißt ihr, wie eure Röcke nicht rutschen,“ und lacht, denn man kann nicht sehen, wie sie das machen. Ich zeige meinen grünen Gürtel und sage das hätte noch immer gereicht, auch beim wilden Johann. „oder?“ frage ich ihn. „Hat immer gereicht – außer auf dem Schiff als der Fahrtwind mir mal den Rock nach oben geweht hat und alle meine Unterwäsche sehen konnten.“ „Und da?“ fragt die Frau. „Das hat mir nichts ausgemacht außer, daß ich mich erinnerte, daß die Mädchen ja nicht wollen, daß ihre Röcke hochfliegen – vielleicht gibt es deswegen keine Mädchen als Schiffsbesatzung –“ und lacht.
Für Patrik ist es das Schönste, daß Röcke fliegen können, oder daß man sie locker hier oder dort hin weit um sich legen kann. „Das macht mir am Rock am meisten Spaß, deswegen würde ich nur weite Röcke tragen – wie unsere Schul-Kilte damals in Irland auch. Sie waren auch weit und flogen wie ein Tellerrock, wenn wir uns drehten, und daraus machten wir uns einen Spaß, war unser Tanzvergnügen.“ Johann steht sofort wieder auf und dreht sich, doch ein Tellerrock wurde es nicht bei ihm, sein Rock ist nicht weit genug.

„So gesehen, sind die schottischen Kilte ganz schön, doch mir wären sie nun zu kurz, sie bedecken nicht mal die Knie, und Strümpfe ziehen sie nie über die Knie, nicht mal im Winter – das muß doch viel Rheuma geben,“ bemerkte Patrik, der nun auch auf der Felsplatte steht. Johann hat Holz gesammelt und macht ein kleines, raucharmes Feuer, über das wir unseren Teekessel hängen.

Olga hat ein paar abgedruckte Postkarten des Malers Balthus gesammelt und
mitgenommen, wo er das Mädchen Therese gemalt hat, und sie sagt, „Balthus macht viel Gebrauch von der Schönheit der Röcke, von ihrer Fähigkeit, sie hier und dahin zu legen, und sie zusammen zu raffen oder auszubreiten.“ –


„Mir hat es schon oft Freude gemacht, meine Röcke so zu raffen, daß die Unterwäsche mal eben sichtbar wird wie bei Therese auf diesem Bild   deswegen lege ich so viel Wert auf reizvolle Wäsche. Hier seht mal, nur einen kurzen Moment.“ – Hier ist mal sein berühmtes Bild Therese revante“ abgezeichnet von meiner Mutter. Unterwäsche gehört zur Oberwäsche dazu, “


„Und Balthus gibt uns Mädchen die Freiheit, uns mal zu verschließen . . . und wenn uns die Lust überkommt, zu öffnen, wie Therese – er ist manchmal recht frech. Öffnen, und dann wieder zu verschließen, alles mit den Röcken. Danke Maler für diese Anregungen. 


Nach langem inneren, verlegenen Nachspüren sagt Olga: „Und deswegen sehe ich auch gerne den Johann, wenn mit ihm sein Rock umher fliegt, frei in der Luft flattert.“ „Warum bei mir?“ fragt er. „Weil dein Rock so kurz ist, da wirkt es am besten. Der fliegt am schönsten,“ und sie lächelt genießerisch.

Hier habe ich noch eine alte Zeichnung meiner Mutter aus ihrer Schulzeit. Die passt dazu:




Eine halbe Stunde Stille und Betrachtung des Tales unter uns. Mir ist als ob Giulietta etwas sagen will, „was ich an euch auch schön finde, ist eure Vorliebe für lange Strümpfe. Die habe ich auch.“

„Ich sehe das, wie ihr alle vier welche tragt.“ – „Na ja, in diesem Klima braucht man unter Röcken schon welche. Außerdem habe ich wirklich eine starke Liebe zu dieser Kleidungsart,“ sage ich, „lange Hosen möchte ich unterm Rock nicht anziehen, dann würde ich keinen Rock brauchen.“ Giulietta sagt leise,
„lange Strümpfe sind etwas ganz Besonderes, enthalten viel Gefühls-Botschaften, auch erotische zum Beispiel. Ich sage, „Ja, ich nenne das mal selbst-erotisch, Liebe zum eigenen Körper, zu den eigenen Gefühlen.


„Zuhause habe ich mal eine Art Bild gemacht: habe verschiedene Strümpfe an ihren Strumpfhaltern an die Wand gehängt, als Anregung wie man´s macht, damit sie nicht rutschen,
“ erzählt Olga. Ein Stück Kunst . . .“ wie Giulietta sagt, das hätte bei uns im Haus manche Gespräche gegeben – ist wirklich oft eine recht erotische Sache, sehr gefühlsreich. Das ist mir eine Art ganz tief sitzendes Hobby, eine Liebhaberei sozusagen.“ Ich schaue ihr in die Augen, dunkelblau, was sehr stark zu den schwarzen Haaren passt. Sie sieht in meine Augen, „Oh, ganz hellblau, typisch nordisch, oder?“ – „Und was hat das mit unseren Strümpfen und Röcken zu tun,“ frage ich. „Ach gehört doch alles zusammen. Das Ganze macht doch den Menschen aus, ja?“


Olga erzählt wie die Strümpfe aufgehängt werden, befestigt werden. „Rechts und links Nylon-ähnliche, die sich ja am Bein sehr dehnen. Zweites Paar Jugendstrümpfe, drittes für Kinder, diese dehnen sich fast nicht, sind aus Wolle. In der Mitte mit Knöpfen wie ich sie für unsere Reise hergerichtet habe.





Das zweite Paar könnte Johann passen, sage ich. Giulietta fragt, und wo hängen bei euch die Bänder oben dran?„irgendwo an der Unterwäsche, Hüfthalter oder so.

Mein Beitrag war dann noch: „Ich habe einen Bericht von einem Kilt-tragenden Schotten gelesen, der meint, er zieht sich im Winter so an, daß es aussieht, als ob er dicke, wollene Strumpfhosen unterm Kilt trägt. Doch er habe einfach seine längsten, warmen, braun gerippten Kniestrümpfe über die Knie hoch gezogen und an die halblangen Unterhosen angepinnt. Das hätte wie Strumpfhosen ausgesehen, und er beobachtete, daß das für die anderen Leute richtig war – im schneekalten Winter. Doch er hatte Scheu, daß jemand sehen könne, wie die Strümpfe an den Unterhosen angepinnt waren, da war er vorsichtig.“ – „ja das ist wie bei den Frauen, die nicht wollen, daß ihre Strumpfhalter gesehen werden,“ sagt Olga, „Strumpfhosen tragen die im Ballett. Mir würden die nicht liegen.“

Da kommt ein heftiger Windstoß an den Klippen hoch, und es ist wie auf dem Schiff, Johann klemmt seinen Rock mit Armen und Knien zusammen. Und kreischt laut. Ja, manchmal kreischen auch große Kinder noch. Und rennt umher und weg in den Wald. Wir hören ihn im Unterholz rennen, knackende Äste, Juchzen. Wie er später zurück kommt, hechelnd, ruft er, „laufen, fast nackt und die Überraschungen und Risiken der Natur ein wenig fürchtend — überall bin ich der Natur meines Körpers sehr nahe, auch der Natur da draußen. Irgend jemand zeigt mir — ich glaube es war der Sportlehrer —, wie ich alles, was im Körper geschieht, genau beobachte, es bewußt erfahre.


Es macht mir nur riesige Freude, das alles zu erleben und zu beobachten, die Kühle des Windes auf meiner nackten Haut beim nackten Laufen durch den strümischen Herbstwald, von fallenden Blättern durchweht.“

Langsam fahren wir wieder südwärts, etwas traurig. Da kommen wir an die Taleinfahrt, wo das Haus steht, wir fahren an die Wiese am See und stellen die Zelte auf, ein paar hundert Meter entfernt von der Straße. Machen ein Feuer auf der Feuerstelle.  Die anderen rennen zum See und in die Gesträuche, doch ich lege mich ins Zelt und schlafe ein.

Es ist nicht gut zu schlafen, wenn das Feuer brennt. Langsam wache ich auf und höre ein Tröpfeln auf dem Zelt, aha, Regen, denke ich verschlafen, und vorher war es doch sonnenklar. Erschreckt sehe ich, daß das Gras rund um die Feuerstelle brennt, springe aus dem Zelt und fülle am See zwei Flaschen mit Wasser und lösche das Feuer im Gras. Oh, wenn das ganze, trockene Gras gebrannt hätte, dann hätte auch bald das Holzhaus gebrannt. 


Wieder über das Skagerrak, wehende Röcke an der Reling, nun mit sehr viel mehr Selbstverständnis. Patrik beginnt, ein altes, rauhes Seefahrerlied zu singen, das aus der Segelschifffahrt stammt:








Und dann noch ein paar. Und als er dieses gesungen hatte,







klappte er das Büchlein zu und sah traurig in die Wellen. In Dänemark reisten wir so, daß wir den Limfjord nahe der Mündung zur Nordsee kreuzten. Da trafen wir einen Fischer, der mit einem kleinen Kutter mit einem kleinen Schleppnetz Glattbutte fing. Eine große Plattfischart. Er erzählte uns, daß seine Fangmethoden so sind, daß sich im Netz die Fische  nicht gegenseitig zerquetschen. Das sei viel schonender als die großen Schleppnetze, und seine Fische verkauft er in gute Restaurants, die bekannt sind für ihre gute Fischküche.

 
Später zeigt uns Patrik noch einige seiner Zeichnungen, die in dem Buch sind:


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Eine kleine Sammlung von Fotos aus dem Sætesdal findet Ihr hier: http://berthas-seereise.blogspot.com/2011/11/funftens-berthas-bilder-aus-dem-alten.html . Weitere Fotos sind hier im Aufsatz verteilt.

 


Die Karte zu unserer Reise:



- stammt aus einem anderen Album. Unsere Reise mit den Röcken lief hier entlang: 2 - 3 - 7 - 19 - Hardanger - 33/35 und zurück.











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